Betriebsrentenstärkungsgesetz: Wie sich eine Personalmanagerin auf die bAV-Reform vorbereitet
Die Reform der betrieblichen Altersvorsorge zum 1. Januar 2018 bietet Unternehmen völlig neue Möglichkeiten bei der Betriebsrente. Personalmanagerin Petra Stief stellt sich auf mehr Nachfragen der Mitarbeiter ein – und hat sich deshalb mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) inhaltlich auseinandergesetzt. Sie hat bereits Ideen, wie sie die Neuerungen in ihrem Unternehmen umsetzen will.
Erst vor wenigen Wochen hatte Petra Stief* (53) ein längeres Gespräch mit einer neuen Mitarbeiterin. Die junge Frau, neu eingestellt für die Fertigung, hat das Angebot des Arbeitgebers auf eine betriebliche Altersvorsoge (bAV) schlicht ignoriert. „Ich kann das überhaupt nicht verstehen“, sagt die Personalleiterin des Mittelständlers aus Ostwestfalen, „schließlich zahlt das Unternehmen sogar einen Zuschuss für die Betriebsrente! Die meisten Mitarbeiter sind froh, wenn sie so komfortabel zusätzlich fürs Alter vorsorgen können.“
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Personalmanagerin: „Werden unser bestehendes bAV-System überdenken“
Petra Stief liegt das Wohl „ihrer“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Herzen. „Unser Geschäftsführer lässt mir bei der Betriebsrente ziemlich freie Hand. Er ist froh, wenn er sich damit nicht beschäftigen muss“, berichtet sie. „Ich achte auf eine faire Lösung, die das Unternehmen finanziell nicht überlastet, die aber den Mitarbeitern am Ende wirklich etwas bringt.“
Längst ist es die Chefin des Personalmanagements gewohnt, das Prinzip der betrieblichen Altersversorgung zu erklären. „Doch als ich zuletzt sogar auf Spiegel Online einen Artikel über die Reform der Betriebsrente gefunden habe, war mir klar, dass wir die mediale Aufmerksamkeit nutzen sollten“, sagt sie: „Ich habe mich über die Änderungen informiert und denke, dass wir unser bestehendes bAV-System überdenken und gegebenenfalls anpassen werden.“
bAV-Sparen lohnt sich nun auch für Geringverdiener
Dass vom Betriebsrentenstärkungsgesetz, das am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist, besonders Geringverdiener profitieren werden, findet Petra Stief gut. „Bis zu 204,50 Euro aus einer Zusatzvorsorge sind künftig als Freibetrag geschützt, wenn jemand im Alter auf Grundsicherung angewiesen ist – damit kann ich einigen Mitarbeitern deutlich leichter vermitteln, dass sich Sparen lohnt“, sagt sie.
Bislang hat die erfahrene Personalmanagerin mit dem großzügigen Zuschuss, den ihr Arbeitgeber bereits jetzt zur betrieblichen Altersvorsorge gewährt, in Bewerbungsgesprächen mit potenziellen Fach- und Führungskräften gepunktet. „Bei der Personalbeschaffung verkaufe ich das gerne als Extra-Bonbon, das es bei anderen eben nicht gibt“, sagt Petra Stief und lacht.
Was aus diesem „Extra-Bonbon“ wird, wenn ab 2019 die verpflichtenden Arbeitgeberzuschüsse kommen, weiß sie allerdings noch nicht. Bei neuen Entgeltumwandlungen muss der Arbeitgeber dann 15 Prozent obendrauf legen, ab 2022 gilt das auch für bestehende Betriebsrenten. „Vielleicht müssen wir unseren bAV-Zuschuss noch ein wenig erhöhen, um uns von der Konkurrenz abzusetzen“, sagt die Verantwortliche fürs Personalmanagement.
Teilrückerstattung, wenn Unternehmen Geringverdiener fördern
Seit 15 Jahren arbeitet Petra Stief beim Mittelständler und war maßgeblich daran beteiligt, dass die Firma ein Netz an sozialen Leistungen aufgebaut hat. Bei der Betriebs-Kita schaut sie regelmäßig selbst vorbei. „Für die Kleinsten machen wir wirklich viel, aber zur betrieblichen Altersvorsorge können wir ja niemanden zwingen“, sagt sie.
Durch die neue Geringverdiener-Förderung schafft der Staat einen weiteren Anreiz: Sponsert das Unternehmen einem Geringverdiener (mit einem Bruttoeinkommen von bis zu 2.200 Euro/Monat) zwischen 240 Euro und 480 Euro pro Kalenderjahr für eine Betriebsrente, bekommt es 30 Prozent seines Beitrags über eine Verrechnung mit der Lohnsteuer zurückerstattet.
Noch viele Fragezeichen beim Sozialpartnermodell
Arbeitnehmer werden wohl die Betriebsrente zunehmend als selbstverständlichen Teil des Beschäftigungsverhältnisses sehen, zumal sie seit 2002 ohnehin einen Anspruch darauf haben. „Dann geht es für mich als HR-Managerin vor allem darum, geeignete Lösungen zu finden“, sagt Petra Stief, „ich bin gespannt, was mit dem Sozialpartnermodell auf uns zukommt.“
Das Sozialpartnermodell ist ein weiterer Teil des Betriebsrentenstärkungsgesetzes, das die Bundesregierung zum 1. Januar 2018 beschlossen hat. Die Medien haben diesen Teil „Nahles-Rente“ getauft, er richtet sich zunächst an die Tarifvertragsparteien. Diese neue Form der Betriebsrente bindet die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften aktiv in den Gestaltungsprozess der bAV ein. Mögliche Versorgungsträger sind Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen.
Gesetzgeber lässt viel Spielraum bei der „Nahles-Rente“
Für Unternehmen, die wie das von Petra Stief der Tarifbindung unterliegen, könnte das Sozialpartnermodell die Zukunft sein. „Die Nahles-Rente ist für mich allerdings noch ein großes Rätsel“, sagt die HR-Managerin.
Nicht nur für sie. Zwar sind die Rahmenbedingungen geklärt, doch ob, wie und wann das Sozialpartnermodell von den Branchen angenommen wird, ist noch offen.
Einige Vorgaben gibt es seitens des Gesetzgebers bei der „Nahles-Rente“:
- Im Sozialpartnermodell der bAV kann eine reine Beitragszusage vereinbart werden. Damit haften Arbeitgeber nicht mehr für spätere Rentenzahlungen. Falls der Versorgungsträger (Pensionsfonds, Pensionskasse, Direktversicherung) ausfallen sollte, sind Unternehmen heute verpflichtet, für die Leistungen einzustehen. Sie müssten die Renten dann aus eigener Tasche bezahlen. Viele Kleinstbetriebe und Mittelständler schreckte das ab.
- Als Leistung aus dem Sozialpartnermodell kann ausschließlich eine Rente gewährt werden, Kapitalzahlungen sind nicht möglich.
- Die eingezahlten Beiträge müssen in einem eigenen Anlagestock verwaltet werden.
Umstrittene Zielrente: „Kommunikation wird nicht einfach“
„Ich kann mir vorstellen, dass es den Gewerkschaften nicht gefällt, wenn es keine garantierte Rente mehr gibt“, sagt Petra Stief: „Allerdings verstehe ich auch, was dahintersteckt: Beim derzeitigen Zinstief fällt die Rendite sehr gering aus, wenn Zahlungen garantiert werden müssen. Das kennt man ja vom eigenen Sparbuch. Die Zielrente bietet viel mehr Chancen, weil die Versorgungsträger einen größeren Teil des Anlagestocks in Aktien investieren können.“
Petra Stief weiß jedoch, wie die Mitarbeiter in ihrem Unternehmen ticken. „Die Kommunikation wird für mich sicherlich nicht einfach, falls wir auch das Sozialpartnermodell – und damit die Zielrente – einführen. Die Leute wollen eben gerne wissen, was am Ende rauskommt.“
Auch ihre Kolleginnen und Kollegen im Bundesverband der Personalmanager sind an dieser Stelle verunsichert. Nicht wenige HR-Manager seien der Meinung, dass der Wegfall der Renten-Garantien beim Sozialpartnermodell ein Grund sein könnte, bei den bestehenden bAV-Angeboten zu bleiben, die ja weiterhin offenstehen, berichtet Petra Stief: „Aber jetzt warten wir mal ab, was sich in unserer Branche tut.“
Bei der jungen Mitarbeiterin, die nicht mit einer Betriebsrente fürs Alter vorsorgen wollte, hat Petra Stief übrigens nicht locker gelassen. „Ich habe sie noch einmal zu einem Gespräch gebeten und sie schließlich überzeugen können, dass sie ab 1. Januar 2018 per Entgeltumwandlung zur Direktversicherung an unserem bAV-System teilnimmt“, sagt sie und lächelt. „Manchen muss man eben bei ihrem Glück ein wenig auf die Sprünge helfen.“
* Name von der Redaktion geändert
Die neue Betriebsrente – erklärt in 2 Minuten
Hier die wichtigsten Punkte des Betriebsrentenstärkungsgesetzes im Überblick:
Artikel vom 31.07.2017. Aktualisiert am 12.01.2018.